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Saisonrückblick 2012

Die Strahlersaison 2012
Ein Rückblick mit gemischten Gefühlen
Bruno Müller

Seit vielen Jahren schreibe ich an dieser Stelle einen höchst subjektiven Rückblick auf die vergangene Strahlersaison. Meistens benutze ich dazu die arbeitsfreien Tage über Weihnachten und Neujahr, in denen alles ein wenig besinnlicher und ruhiger verläuft. Von Jahr zu Jahr fällt es mir aber schwerer, diese Zusammenfassung der Strahleraktivitäten zu schreiben. Dafür gibt es viele Gründe: fehlende, spektakuläre Grossfunde, die latente Geheimniskrämerei und nicht selten der persönlich an mich gerichtete Wunsch nach Diskretion. So bat mich diesen Herbst ein guter Freund mit Nachdruck darum, nichts über seinen Fund zu schreiben, da er an seiner vielversprechenden Stelle noch unbehelligt weiter arbeiten möchte. Selbstverständlich achte ich dieses Anliegen und hoffe, dass wir in einer späteren Ausgabe des Mineralienfreunds über diese interessante Kluft berichten können. Manchmal habe ich den Eindruck, dass mit meiner Berichterstattung da und dort auch ein wenig Neid und Missgunst unter den Strahlern geschürt wird. Dies ist bedauerlich, gehört aber wohl zum menschlichen Wesen.

Der vergangene Winter begann früh, verlief relativ streng, brachte im Februar eine extreme Kälteperiode und bescherte uns überdurchschnittlich viel Schnee. Ein warmer Frühling, viele Südwestlagen mit Föhn und ein verregneter Frühsommer liessen aber die weisse Pracht trotzdem rasch schwinden. Es ist immer wieder erstaunlich, wie rasch die Schneeschmelze voranschreitet, wenn alle Bedingungen stimmen.
Ein erster Glanzpunkt im vergangenen Jahr war sicher die Jubiläumsfeier anlässlich der Wiedereröffnung des Mineralienmuseums. Dieser Anlass hat zwar nicht direkt mit der Strahler zu tun, ist aber ein hochwillkommener Treffpunkt aller Mineralienbegeisterten. Die 50 Jahre Vereinstätigkeit beinhalten wohl manche heftige Diskussion, etliche Streitigkeiten, aber auch eine Unmenge an tollen Erlebnissen, freundschaftlichem Beisammensein und Tausende Stunden Fröhlichkeit und Spass. An der Museumseröffnung steigt jeweils auch das Strahlerfieber, berichtet doch der eine oder andere bereits von seinen ersten Streifzügen in die tiefer gelegenen, strahligen Zonen im Reusstal oder in den Seitentälern des Maderanertals.

Grosse Bewunderung hege ich für die zwei jungen Strahler Christoph Betschart und Patrick Reith. Sie waren den vergangenen Sommer als Vollzeitstrahler unterwegs: Sehr oft kamen sie von ihren ausgedehnten Touren mit wenig oder gar nichts nach Hause und fanden doch stets die Motivation, am anderen Tag wieder aufzubrechen. Wohl mancher Strahler, der Schreibende inbegriffen; wünscht sich ein solches unbeschwertes Leben, fürchtet aber die harten, kommerziellen Bedingungen, die der Beruf des Strahlers mitbringt. Die rosigen Zeiten im Mineralienhandel sind wohl vorbei und an den Börsen bleibt die „Allerwelts-Ware“ auf den Tischen liegen. Der mit mehr als fünfzig Jahren Praxis wohl beste Kenner der Szene, der „pensionierte“ Berufsstrahler Xaver Gnos, hat mir dies bei einem geselligen Treffen bestätigt. Er und seine Familie seien in den siebziger Jahren oft noch während dem gemeinsamen Mittagessen am Sonntag von der kaufwilligen Kundschaft aus Deutschland oder Holland bestürmt worden. Das waren noch Zeiten!
Aus persönlicher, zwanzigjähriger Börsenerfahrung spüre ich dieses schwindende Interesse und die abflachende Tendenz am eigenen Leibe. Das Preisniveau für erstklassige Stufen und aussergewöhnliche Sammelstücke dagegen ist in den letzten 10 Jahren markant gestiegen. Im alpinen Sektor sind schlanke, unbeschädigte Matrix-Gwindel, wilde Rauchquarzstufen und farbintensiver Rosafluorit noch immer heiss begehrt und werden dem entsprechend auch hoch gehandelt. Mir scheint es, als seien ähnliche Muster wie im Kunsthandel erkennbar. In München, anlässlich der Mineralienmesse, erzählte mir ein langjähriger, seriöser und sehr erfolgreicher Mineralienhändler von einer faszinierenden Rhodochrosit-Stufe, die ursprünglich für 1’500 Euro in den Handel kam und mittlerweile bei 2 Millionen Euro den Besitzer wechselt. Verrückt, aber im internationalen Händel wohl gar nicht so selten! Den zwei jungen Berufsstrahlern, die hoffentlich ihr Glück und ihr Auskommen in den Bergen finden, wünsche ich auf jeden Fall viel Erfolg. Unterstützen wir doch diesen Mut und kaufen an der Börsen das eine oder andere Stück von diesen unermüdlichen und hoffnungsvollen „Schatzsuchern“.

Im Juni durfte ich mit meinem Bruder einen perfekten Tag in den Bergen verbringen. Gemeinsam kletterten wir durch die „Graue Wand“ am Gletschhorn und wollten während der Abseilfahrt noch eine alte Stelle besuchen. Es war unsere erste gemeinsame Kluft, die wir im Jahre 1987 per Zufall entdeckten: In abwechselnder Führung durchstiegen wir damals die 13 Seillängen der Route „Eisbrecher“. Während Kurt wieder einmal vorstieg, stockte plötzlich die sonst flüssige Seilausgabe für mehrere Minuten. Da mir wegen einer Felsnase die Sicht auf meinen Bruder verwehrt blieb und der starke thermische Aufwind eine Kommunikation verhinderte, machte ich mir langsam Sorgen. Endlich wurde das Seil eingezogen und das Rätsel schon bald gelöst. Kurt war direkt an eine offene Kluft herangeklettert und vergass beim sofortigen Ernten der freiliegenden Kristalle Raum und Zeit. Da der Rucksack am Einstieg unten lag, mussten nun alle Hosentaschen, die Socken und selbst der Magnesiabeutel als Transportbehälter dienen.
Nun, 25 Jahre später, fanden wir nach einigem Suchen die Kluft wieder und konnten zuhinterst noch ein paar schöne rauchige Spitzen bergen. Dies war wirklich ein erfreulicher Auftakt in die Saison 2012.

Der eigentliche Start in die Hauptsaison mit meinen langjährigen Strahlerfreunden verlief Anfang August aber alles andere als geplant. Bereits am ersten Tag glitt mein Bruder Kurt auf einem steilen Schneefeld aus und stürzte mehrere Meter in den Bergschrund hinab. Sein Schutzengel machte dabei Überstunden und hatte wohl noch ein paar zusätzliche, temporäre Mitarbeiter angestellt. Auf jeden Fall kam Kurt mit einem sauberen Wirbelbruch, ein paar Prellungen und einem grossen Schrecken glimpflich davon. Bereits im September konnte er wieder im Voralptal auf die Suche nach den funkelnden Steinen gehen.

Wie schon eingangs erwähnt blieben auch dieses Jahr spektakuläre Grossfunde aus. Der eine oder andere Strahler fand im letzten Jahr sicher eine hübsche Kluft und durfte seine Vitrine mit Sammelstücken erweitern. Dabei wollen wir es bewenden lassen und stochern nicht mehr in den Details herum. Ich wünsche allen Strahlern eine kurze Winterzeit und viel Erfolg in der kommenden Strahlersaison. Schliesslich möchte ich in einem Jahr und an dieser Stelle den Rückblick 2013 viel ausführlicher gestalten.