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Handegg "Mummery"

Handegg "Mummery", 6c, 10 SL
Auf der Fahrt von Innertkirchen zum Grimselpass fühlt man sich im Bereich der Handegg als Granitliebhaber plötzlich mitten im Paradies. Links und rechts schiessen Granitplatten in die Höhe und verschaffen dem engen Tal zusätzlich eine wunderbare Ambiance. Besonders ins Auge fällt auch das steile Trassé der Grimselbahn. Ist das rote Wägelchen auf der Strecke, staunt man noch mehr über diese Pioniertat der Kraftwerkbauer, die bereits 1926 mit dem waghalsigen Bau dieser steilen Bahn etwas Einmaliges schufen.

Links dieser markanten Bahn sticht dem Kletterer ein markanter Granitpfeiler ins Auge, über den die Route "Fair Hands Line" verläuft. Diese bereits 1978 eröffnete Route war der Startschuss für eine mehrjährige und intensive Erschliessertätigkeit in den umliegenden Gletscherschliff-Platten. Als ich 1984 das erste Mal in diesen unglaublich glatten Platten klettern durfte, ging es auf dem Parkplatz unten zu wie auf dem Jahrmarkt. Autos und Busse aus fast allen europäischen Ländern parkten hier. Ihre Besitzer testeten den Reibungskoefffizent in den zahlreichen Routen und nahmen dabei auch weite, sehr weite Rutschpartien in Kauf. Apropos Kauf: Mein erstes Klemmkeilset erstand ich hier bei einem Kofferraum-Händler, der auf dem Parkplatz das neueste Material anbot.

Heute ist es trotz diverser Routen-Sanierungen in diesem Plattenmeer wieder deutlich ruhiger geworden. Ausser am eingangs erwähnten Pfeiler der Hangholzegg. Hier wird die "Fair Hands Line" sehr rege wiederholt. Kein Wunder, ist die Route im Bereich 6a doch ein echter Leckerbissen mit 10 abwechslungsreichen Seillängen. Rechts davon wurde 1994 mit "Mummery" eine weitere Route eröffnet, welche die Handschrift der Gebrüder Remy trägt. Diese Linie war das Ziel unserer heutigen Reise ins Berner Oberland.

Der Zustieg erfolgt von der Talstation der Gelmerbahn über einen schmalen Weg in knapp 20 Minuten. Als wir am Pfeilerfuss eintreffen, befindet sich bereits eine Seilschaft in der "Fair Hands Line" und eine weitere macht sich bereit für diese Route. Unser Weg über die "Mummery" ist aber frei und liegt glücklicherweise auch noch im kühlen Schatten. Diese optimalen Konditionen kommen besonders in der ersten Seillänge sehr gelegen: Die abdrängende und unangenehme Piazverschneidung ist so schon anspruchsvoll genug. Zudem liegt noch etwas Dreck und dürres Gras auf den Leisten. So wie es aussieht, sind wir die erste Seilschaft in diesem Jahr, die sich an die "Mummery" herantastet. Auch in der zweiten Seillänge müssen noch ein paar Griffe und Tritte geputzt werden, dann aber ist der Fels sauber und griffig, wie wir es eben im Granit gewohnt sind.

So richtig begeistern kann uns die Kletterei aber noch nicht, was sich in der dritten Seillänge in Anbetracht der steilen und griffigen Kante aber rasch ändert. Die geforderten Züge sind vielseitig und verlangen immer wieder ein beherztes Zugreiffen oder Aufstehen auf kleinen Leisten. Die schweren Stellen sind aber meist kurz, dazwischen kann immer wieder zügig geklettert werden. Da wir zu dritt unterwegs sind, durfte ich den Vorstieg übernehmen. Kurt und Beat haben die Route vor vielen Jahren schon einmal geklettert und überliessen mir deshalb barmherzigerweise das scharfe Seillende.

Überrascht war ich von der guten Absicherung der Route, was wohl der erfolgten Sanierung im 2015 durch die Erstbegeher geschuldet ist. So blieben die mitgeführten Camalots am Gurt und auch die Orientierung im Gelände war problemlos. Schon bald standen wir am Beginn der Schlüssellänge, eine schwach strukturierte, völlig kompakte und steile Reibungsplatte direkt über dem Stand. Während ich über dem ersten Bohrhaken kurz meine Finger sortieren musste und den besten Weiterweg suchte, meinten meine zwei lieben Seilpartner allen Ernstes, ich solle doch noch einen Camalot legen, damit es besser ging. Dieser humorvoll gemeinte Ratschlag gab mir den nötigen Schub über die knifflige Stelle. "Vergesst dann nicht den Camalot wieder heraus zu nehmen" war meine trockene Entgegnung, als ich wieder in einfacherem Gelände war.

Die folgende Länge, die ich gleich anhängte, folgte einer herrlich zu kletternden Rampe, die schräg nach rechts hoch führt und mit einer Reibungsplatte abschliesst. Nun fehlten uns noch zwei Seillängen bis zum "Gipfel". Die zweitletzte Sequenz war nochmals mit einer glatten Passage gewürzt, der ein origineller Querung über einem kleinen Überhang folgt. Die letzten Meter waren dann noch Formsache und erlaubten auch eine Schnupfpause mit einem der beiden Kletterer, die in der "Fair Hands Line" unterwegs waren. Schon bald schlüpften wir in unsere Turnschuhe und machten uns an den Abstieg über die zahllosen Treppenstufen entlang der Gelmerbahn. Im untersten Drittel scherten wir aus und gelangten über Grasbänder und Platten wieder zum Einstieg, wo wir uns kurz stärkten und uns für die "Urlix" bereit machten.