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Läged Windgällen Bastion

Läged Windgällen Bastion
"SW-Verschneidung", 6a+, 6 SL
"Sonnenprinz", 6b, 3 SL

Der Schnee schwindet langsam und erlaubt es, wieder höher gelegene Kletterziele anzusteuern. An diesem heissen und drückend schwülen Samstag Mitte Juni durfte ich wieder einmal mit Beat den steilen Schächentaler Kalk geniessen. Wir reisten via Mettenen an und konnten bis zum Butzli hochfahren. Unglaublich, wie viel Schnee sich seit meinem letzten Besuch vor zwei Wochen verflüchtigt hat. Der Kessel des Mettener Butzli ist schon fast wieder schneefrei und beim Zustieg zur Bastion des Läged Windgällen mussten wir nur noch vereinzelte Schneefelder queren. Durch die abgerutschten Schneemassen ist der Weg aber noch etwas heikel zu begehen, besonders im Bereich unter der Westgipfel-Südwand. Mit der Zeit bessert sich das aber, besonders wenn die Schafe wieder im Gebiet weiden und ihre selbst angelegten Trampelpfade vermehrt frequentieren.

Auf einer bequemen Graskanzel unter der Bastion konnten wir nun die Wand studieren und entdeckten rasch den Routenverlauf der SW-Verschneidung. Die Altmeister Toni Fullin und Franz Gisler fanden 1975 diesen logischen Durchstieg und folgten einer Reihe von steilen Verschneidungen und Rinnen. Weiter oben, im Bereich eines freistehenden Turms, musste der Weg dann etwas gesucht werden, was aber optimal gelungen ist. Rund 32 Jahre nach der Erstbegehung sanierten Toni Fullin und Hansueli Rhyner die Route und rüsteten die Linie perfekt mit rostfreiem Material aus.

Ein grosser Vorteil dieser Route ist bestimmt das bequeme Grasband direkt nebem dem Einstieg. Hier konnten wir uns vergnüglich breitschlagen, die Schuhe wechseln und das Material sorglos deponieren - ein Luxus, denn man mit zunehmendem Alter immer mehr schätzt. Die erste Länge sieht beeindruckend aus. Eine grimmige Verschneidung zieht senkrecht hoch. Wie erwartet, verlangte diese Passage das ganze Repertoire an Kletterbewegungen. Stemmen, spreizen, manchmal auch jammen und sogar einmal kaminartig auf Gegendruck mit dem Rücken zur Wand. Glücklicherweise wird der Verschneidungsriss manchmal von guten Griffen und Tritten in den Begrenzungswänden begleitet.

Weiter oben quert man dann luftig nach rechts und gewinnt dank feiner Griffe und trotz etwas Seilzug eine bequeme Kanzel. An diesem Stand kann man bereits die Folgeverschneidung studieren, die im gleichen Stil durch die Wand hochzieht. Beat folgte rasch nach und nahm diesen Felswinkel in Angriff. Mit denselben Verrenkungen wie in Länge 1 turnte er nach oben und präsentierte mit weiten Spreizschritten seine Beweglichkeit. Obwohl nur mit 5c bewertet, verlangt dieser Riss doch Einsatz und steht dem mit 6a+ bewerteten Auftakt in nichts nach. Am Stand waren noch zwei massive Relikte aus der Werkstatt von Franz Gisler zu bewundern. Wir hängten uns, obwohl nostalgisch berührt, an die neue Chromstahlplatte gleich daneben.

Die folgende Länge startet erneut steil, ist aber extrem griffig zu klettern. Weiter oben folgte ich den Haken durch eine dolomitenartige Rinne und entdeckte an deren Mündung die nächste Standplatte. Die vereinzelt lose herumliegenden Steine werden hier kanalisiert, daher würde ich nicht in diese Route einsteigen, wenn schon jemand darin unterwegs ist oder sogar abseilt. Besonders weiter oben lässt sich mit bestem Willen Steinschlag beim Seilabziehen nicht vermeiden.

Ein Linksquergang brachte Beat auf eine imposante Kante, der man bis zum Stand auf der grossen Terrasse folgen muss. Im Nachstieg lupfte ich beim Nachziehen des rechten Beins einen kopfgrossen Stein aus dem Fundament, der sich polternd ins Kar verabschiedete. Auf Druck hatte dieser Block wohl noch gehalten, als ich aber mit der Schuhspitze daran zog, verlor er jeglichen Halt und beendete sein Dasein hoch oben in der Wand. Von der Terrasse stieg ich über ein kurzes Wändchen links hoch, querte wieder über ein Band und stand vor der nächsten Barriere.

Diese war, obwohl nur mit 5b bewertet, etwas knifflig zu überwinden, bevor dann eine schottrige Kaminschlucht zum Stand hochführte. Die letzte Länge entschädigte uns dann wieder mit genussvoller Wand und Verschneidungskletterei entlang griffiger Strukturen. Beim Abseilen gingen wir äusserst behutsam ans Werk, rissen aber trotzdem vereinzelte Steine beim Seilabziehen mit in die Tiefe. Weiter unter besserte sich das aber sofort Das letzte Manöver ist sehr eindrücklich und verläuft weit weg von der Wand frei durch die Luft.

Nun konnten wir beim Mittagessen die Vorzüge des bequemen Einstiegsband geniessen und uns gebührend verköstigen. Die Hitze war auch hier oben deutlich spürbar, trotzdem wollten wir noch eine Route anhängen. Zuerst stieg ich bei einer stotzigen Linie mit neuen Bolts ein. Als dann nach etwa 20 Metern keine Bohrhaken mehr sichtbar waren und ein Maillot-Rapid in der letzten Lasche hing, vermutete ich ein neues Projekt und räumte mein Material wieder aus. So wechselten wir nach rechts zum Einstieg von "Sonnenprinz".

rot = SW-Verschneidung / blau = Sonnenprinz

Hier steckten über die drei Seillängen die berüchtigen Ringhaken in sportlichen Abständen. Die Haltekraft dieser Relikte ist das eine, ihre schlechte Sichtbarkeit und das umständliche Einhängen das andere. Ein Exemplar steckte sogar kopfüber in einem kleinen Dach. Wenn man weiss, wie klein die Expansionskeile dieser Bohrhaken sind und das Loch exakt gebohrt sein muss, damit der Bohrhaken genügend aufgespreizt wird, kann schon ein mulmiges Gefühl aufkommen. Der Fels in dieser Route und die Linienführung sind fantastisch. Mit einer zeitgemässen Absicherung wären "Sonnenprinz" und auch die anderen Routen (Starlight, Memorial, Goldvreneli) aus der Hand des verstorbenen Hans Kempf wieder begehrenswerte Ziele. So werden diese wunderschönen Linien aber praktisch nicht mehr geklettert.
Zurück auf dem Einstiegsband packten wir rasch unseren Plunder, querten vorsichtig über den Schafweg zurück zum Butzli und träumten die ganze Zeit vom Weizenbier in Urigen. Vielen Dank an Beat für den genussvollen Klettertag in den steilen Wänden des Schächentals.